Gestern habe ich an einem Tag „Der Junge im gestreiften Pyjama“ durchgelesen. Ein Buch über die Judenverfolgung, das vielen bekannt sein dürfte und mittlerweile auch an vielen Schulen gelesen wird. Ich sag es gleich: Es hat mir überhaupt nicht gefallen. Doch darf man ein Holocaust Buch schlecht finden? Ich hab das Gefühl, dass viele bei diesem Thema fast jedes Buch gut finden, einfach des Themas wegen, da es ja ergreifende und tragische Schicksale sind die beschrieben werden. Doch muss ich ein Buch gut und wichtig finden, nur weil es ein bedeutendes Thema anspricht? Nein, sage ich, muss ich nicht und ich tu es auch nicht. Ich finde „Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist sogar ein sehr problematisches Buch. Warum, dass will ich näher erläutern:
Man muss sich Hass, Intoleranz und Rassismus entgegenstellen!
In Deutschland gibt es wohl kaum ein sensibleres Thema als den Holocaust. In den Schulen ist die Aufarbeitung des Themas ein zentraler Bestandteil des Geschichtsunterrichts, dem gut und gerne ein ganzes Halbjahr gewidmet wird. Und das ist gut und richtig so! Erst wenn man eine Ahnung davon bekommt welche Schrecken die NS-Zeit darstellte, kann man verstehen, warum wir als Gesellschaft und als einzelner Mensch alles dafür tun müssen nicht dieselben Fehler zu wiederholen. Gerade in Zeiten von Pegida, Verschwörungstheoretikern und rechten Aufmärschen ist es unerlässlich jungen Menschen deutlich zu vermitteln, warum es wichtig ist sich Hass, Rassismus und Intoleranz entschlossen entgegenzustellen. Wer aus der Vergangenheit nicht lernt, neigt dazu sie zu wiederholen.
Doch wie vermittelt man dieses schwierige Thema, ohne die Jugendlichen zu langweilen, sodass sie mit Holocaust nur nervigen Unterricht verbinden? Zeitzeugengespräche sind auf jeden Fall ein guter Ansatz. Denn wir versuchen zwar zu bereifen, aber das volle Ausmaß des Schreckens können nur diejenigen komplett verstehen, die ihn durchleben mussten. Doch der 2. Weltkrieg ist mittlerweile 70 Jahre her und Zeitzeugen gibt es nicht mehr viele. Eine weitere Möglichkeit ist die Vermittlung durch Literatur. Es gibt zahlreiche Werke von Zeitzeugen die NS-Zeit thematisieren, viele auch direkt für Jugendliche. Empfehlenswert sind da u.a.:
und für Ältere ab 16 ungefähr:
Der Junge im gestreiften Pyjama als Schulbuch?
Doch was ist nun mit dem Jungen im gestreiften Pyjama? Immerhin ist es an vielen Schulen Schullektüre. Mein erstes Problem mit dem Buch ist, dass ich nicht einordnen kann, ob es nun als Kinder-Jugendbuch oder als Erwachsenenbuch gedacht ist. Für ein Erwachsenenbuch ist die Sprache zu primitiv, selbst wenn es aus der Sicht eines Neunjährigen ist. Eine sehr simple Sprache, gepaart mit etlichen Wiederholungen der immer selben Phrasen (nach dem 5. mal habe ich aufgehört zu zählen wie oft Gretchen als hoffnungsloser Fall beschrieben wurde). Für ein Kinder/Jugendbuch sehe ich das Buch inhaltlich als zu problematisch.
Der Ansatz die Grauen eines KZ durch die Augen eines unschuldigen Kindes zu beschreiben ist ja nicht schlecht und sicherlich eine gute Methode den Stoff zu vermitteln ohne zu brutal oder blutig zu werden. Doch Bruno war mir selbst für einen Neunjährigen zu naiv. Selbst als er sieht wie Menschen erschossen und ermordet werden, wie sein Freund vor seinen Augen immer mehr abmagert, oder wie ein jüdischer Bediensteter beschimpft wird, begreift er nicht was vor sich geht. Im Gegenteil, das verdreckte Lager mit den vielen Menschen hält er für einen Abenteuerspielplatz. Ich erwarte ja nicht, dass er die volle Dimension begreift, aber mit neun Jahren hat man doch ein gewisses Verständnis von Tod, Leid oder Unrecht.
Des weiteren haben mich die vielen historischen Ungenauigkeiten gestört.
- In Auschwitz gab es nicht wie beschrieben jede Menge Kinder im Lager, denn die SS selektierte die ankommenden Menschen und nur wer arbeitsfähig war, wurde nicht direkt in die Gaskammer geschickt. Gerade Auschwitz-Birkenau, was ja Handlungsort dieses Buches sein sollte, war ein Vernichtungslager. Hier ging es nur darum möglichst viele Juden, möglichst schnell zu töten. Kinder wurden, wenn nicht für Experimente gebraucht, so gut wie immer sofort vergast. Es dürfte also nur extrem wenige neunjährige Jungen im Lager längerfristig gewesen sein.
- Hitlers Beziehung zu Eva Braun wurde bis zum Schluss vor der Öffentlichkeit geheim gehalten und nur der allerengste Kreis wusste davon. Hitler wäre niemals mit ihr zusammen zum Essen zu einem „gewöhnlichen“ Kommandanten gegangen
- Der Zaun, der die Lager umgab, war unter Hochspannung gesetzt. Selbst wenn unwahrscheinlicher Weise ein Loch da gewesen wäre, wäre Bruno gegrillt worden, bevor er drüben gewesen wäre.
- Es wäre undenkbar gewesen, dass ein Häftling jeden Tag ein bis zwei Stunden an einem unbewachten Zaunabschnitt verschwindet und niemanden das auffällt. Neben den SS-Leuten gab es auch allerhand Häftlinge, die sich dadurch Privilegien sicherten, dass sie andere verpetzen. Es gab also tausende Augen dort, vor denen man sich in Acht nehmen hätte müssen.
- Ebenfalls undenkbar, dass ein neunjähriger Sohn eines SS-Kommandanten noch nie was von Juden, dem Führer oder überhaupt der NS Ideologie gehört hat. Die Rassenlehre und Ideologie wurde schon in den untersten Klassen an den Schulen unterrichtet und die Kinder hochrangiger Parteimitglieder besuchten oft die sog. Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (Napola). Aber selbst wenn Bruno nicht an einer solchen Schule war, hätte er trotzdem schon in Klasse 1 nationalsozialistisches Gedankengut vermittelt bekommen.
- Der Kommandant des Lagers Auschwitz-Birkenau wohnte nicht in einem schicken Haus ganz allein am Rande des Lagers. In Auschwitz-Birkenau gab es eine SS Kaserne mit Kommandantur wo alle SS-Leute untergebracht waren (die einen besser als die anderen)
- Offenbar soll es ja das Lager Auschwitz sein. Bruno sieht von seinem Fenster aus Holzhütten, daher müsste es das Vernichtungslager Birkenau sein, da im Stammlager Auschwitz Steinbaracken waren. Die Unterbringung der SS-Leute war aber ganz woanders, sodass er Birkenau nicht vom Fenster aus hätte sehen können.
- Und noch ein Logikfehler: Wenn da ein Loch im Zaun war, wieso hat niemand ein Fluchtversuch gestartet? Warum blieb Schmuel die ganze Zeit im Lager, wo die Stelle doch unbewacht war
Über einige dieser Punkte kann man drüber wegsehen, aber manche sind schon gravierend. Insgesamt vermittelt das Buch eine stark geschönte Version des KZ. Der Tod wird tunlichst vermieden und ist nur zwischen den Zeilen zu finden. Und auch Begriffe wie Führer, Auschwitz oder Jude werden entweder verfälscht oder gemieden und umschrieben. Was erwachsene Leser als Ausdruck der Naivität und Unschuld von Bruno erkennen, können Jugendliche schnell als wahr betrachten. Wo Erwachsene zwischen den Zeilen lesen, nehmen Kinder das Beschriebene als gegeben wahr und das finde ich sehr gefährlich. Am schlimmsten finde in den letzten Satz im Buch:
„Natürlich geschah dies alles vor langer Zeit, und etwas Ähnliches könnte nie wieder passieren. Nicht in diesen Tagen, Nicht in diesem Zeitalter.”
(Der Junge im gestreiften Pyjama, John Boyne. Fischer Verlag S. 264)
Man könnte es natürlich als Sarkasmus interpretieren und die meisten erwachsenen Leser würden das wahrscheinlich auch tun. Auf Kinder und Jugendliche könnte dieses Ende hingegen eher wie das Ende einer gruseligen Gute-Nacht Geschichte wirken, mit der man den Kleinen versichern möchte, dass es sich um die bösen Monster aus der Geschichte keine Gedanken zu machen braucht. Soviel also zu der Moral von der Geschichte.
Aus diesem Gründen kann ich es absolut nicht verstehen, warum dieses Buch Schullektüre ist. Das Buch ist höchstens dann als solche Lektüre geeignet, wenn die Leser schon ausführliches Wissen über die NS-Zeit und den Holocaust besitzen und die Verharmlosungen als solche erkennen. Das ist bei Jugendlichen jedoch häufig nicht der Fall und daher sehe ich den Einsatz dieses Buches im Unterricht sehr kritisch.
Nun war das ein ewig langer Text von mir dazu und falls jemand bis zum Schluss liest, danke ich ihm oder ihr schon mal herzlich dafür. Ich weiß, dass ich mit meiner Meinung nicht nur auf Gegenliebe stoßen werde, hoffe aber dennoch, dass ihr meine Gedanken zumindest etwas nachvollziehen könnt.
Lena von Awkward Dangos
Huhu,
deine Überlegungen haben mich wirklich zum Nachdenken gebracht. Das Buch habe ich zwar nie gelesen, aber den Film in der Schule geschaut und fand diesen damals sehr gut. Er hat mich zu Tränen gerührt. Ich kann dennoch verstehen, welche Probleme du in dem Buch siehst.
Zunächst finde ich es eigentlich nicht weiter schlimm, dass vielleicht nicht alles logisch ist, zb dass das KZ nicht ganz faktisch richtig beschrieben wird. Immerhin handelt es sich immer noch um einen Roman, der vor einem realen Hintergrund eine fiktive Geschichte erzählt. Was ich allerdings dann genauso kritisch betrachte, sind die sich wirklich häufenden Ungenauigkeiten und die Verharmlosung. Der letzte Satz des Buches hat mich auch ein wenig aus der Bahn geworfen. Ich hoffe mal, er ist sarkastisch gemeint oder dass die Leser ihn zumindest so auffassen. Das ist wirklich etwas seltsam, da man das wirklich falsch verstehen kann.
Du hast außerdem recht, dass es komisch ist, wenn ein 9jähriger so wirklich gar nichts von allem mitbekommt, weder von der Gefangenschaft der Leute, noch von dem Unrecht, noch von der Arbeit seines Vaters, vor allem, wenn die Familie doch nur ein Stückchen vom KZ entfernt ihr Haus hat. Das mit dem Hochspannungszaun ist auch etwas seltsam. Ein Kind sollte dieses Buch wohl wirklich nicht lesen, die Thematik ist einfach nichts für Leser unter 12 und die meisten darüber sollten zumindest schon einmal mit dem Thema in Berührung gekommen sein und werden wissen, dass Bruno die Dinge sehr naiv angeht, auch wenn er noch ein Kind ist.
Ich denke, in diesem Punkt liegt der Fehler wirklich in der Perspektive. Aus Sicht des Jungen wird alles wohl sehr blauäugig und einfach betrachtet und vorausgesetzt, dass man über das eigentliche Geschehen bereits genau bescheid weiß. Andernfalls kann das Lesen und Verstehen nicht funktionieren. Das Buch ist wohl nicht als Lehmittel geeignet, sondern eher, nachdem man alles erfahren hat zu lesen…? Vielleicht würde die Geschichte besser funktionieren, hätte sie ein objektiver Erzähler erzählt und würde nicht aus Brunos Sicht geschildert. Also dass auch erwähnt wird, wie naiv der Junge ist, dass er noch nicht versteht, was da vor sich geht usw. Ich weiß jetzt leider nicht genau, wie das Buch geschrieben ist, aber meine herauslesen zu können, dass sich Film und Buch da sehr unterscheiden. Im Film sind wir ja Zuschauer und sehen, was Bruno übersieht und dass etwas nicht stimmt.
Abschließend: Wenn man das Buch als wissender, älterer Leser liest, so wie du einer bist, sollte es kein Problem sein, es zu "Unterhaltungszwecken" zu lesen. Wenn es allerdings um einen Lehreffekt geht, stimme ich dir vollkommen zu – als Schullektüre wirklich nur geeignet, wenn man das Thema NS und Holocaust bereits vollständig behandelt hat, würde ich sagen.
Ganz liebe Grüße
Lena ♥
Miss PageTurner
Huhu =) Danke erstmal für diesen riesen Kommentar =D
Ich denke auch, dass Kinder unter 12 das Buch nicht lesen sollten. Ich denke aber auch, dass Kinder in dem Alter noch überhaupt nichts vom Holocaust wissen müssen. Man sollte ihnen da die kindliche Unschuld lassen, im Schulunterricht erfahren sie noch früh genug von dieser dunklen Vergangenheit. Gut wenn das Kind von sich aus das aufschnappt udn fragt, sollte man ehlich antworten, denn ich halte nichts davon Kinder anzulügen, aber sonst ist das einfach noch kein Thema für Kinder.
Ich stimme dir zu, dass man Vorwissen braucht, um das Buch begreifen zu können. Als Lehrmaterial sind andere Bücher wie z.B die oben genannten wesendlich besser geeignet.
Cherry
Huhu,
ich hab jetzt wirklich eine ganze Nacht über deinen Beitrag schlafen müssen, bis ich zu dem Schluss kam, etwas dazu zu schreiben. Also, los gehts…
Erst einmal finde ich es gut, dass du dich mit dem Thema beschäftigst, dass man Bücher, die sich mit schwierigen, aufwühlenden Themen auch negativ bewerten darf. Ich hatte diese Hemmschwelle bereits bei anderen Romanen, bei denen ich dachte: "Ohje, wenn ich dem jetzt nur wenige Sterne geben, halten mich alle für herzlos oder dumm." Aber ein Buch besteht eben nicht nur aus seinem Thema, sondern auch aus Schreibstil und Umsetzung, und wenn einem die nicht passen, dann kann der Inhalt noch so toll sein. Solange die Kritik dann gut erklärt wird, steht einer schlechten Bewertung also nichts im Wege (war bei mir bspw. bei "George" so).
Beim "Jungen im gestreiften Pyjama" sehe ich die Sache jedoch etwas anders. Keine Frage, ich verstehe deine Kritik und gerade die Logikfehler scheinen enorm zu sein, aber ich glaube, es kommt auch immer darauf an, wie und warum man ein Buch liest. Ich möchte es an dieser Stelle nicht gutreden, denn ich weiß, wie es ist, wenn man ein Buch anders sieht als so viele andere und nicht wirklich nachvollziehen kann, dass der Hype darum so groß ist. Aber ich möchte kurz erklären, warum es vielleicht so gut bei der Menge (und ja auch bei mir) ankam.
Ich habe den Roman damals mit 18 (oder 19) gelesen, als er gerade neu erschien und ich noch keine Ahnung hatte, worum es darin geht. Weder der Klappentext hat viel ausgesagt, noch gab es Meinungen dazu oder Buchblogs, die mir hätten berichten können. Über den Holocaust, das dritte Reich etc. wurde ich bis zu diesem Tage bereits in der Schule zugepumpt und ehrlich gesagt, hatte ich schon keine Lust mehr auf das Thema. Doch dann begann ich, dieses Buch zu lesen und fand mich im Kopf des kleinen Brunos wieder, der wohlbehütet aufwuchs und erst nach und nach begriff, wie grässlich seine Welt (und vor allem sein Vater) sein konnte.
Also, zu Beginn möchte ich sagen: das Buch ist ab 12 (vom Verlag so angeben). Das finde ich gerechtfertigt, denn Personen in dem Alter sind weder Kinder noch "richtige" Jugendliche. Es ist ein Übergangsalter indem man sicher schonmal vom Holocaust gehört hat und nicht zu jung ist, mit diesen Grausamkeiten konfrontiert zu werden (zumal die Grausamkeit hier auch eher subtil dargestellt wird).
Bruno mag einem sehr naiv vorkommen, ok, das mag sein, aber ehrlich gesagt, ist er eben erst 9 Jahre alt und lebte bisher in einer Welt, die nichts Böses bereit hielt. Sein Vater ist sein Idol und wie könnte er, selbst nachdem er diese vielen schlimmen Dinge gesehen haben, davon ausgehen, dass sein Vater zu den Bösewichten gehört? Ich denke, da spielt Verdrängung eine wesentliche Rolle und auch die Unfähigkeit, diese grässlichen Taten überhaupt verdauen zu können. Er realisiert wahrscheinlich erst, wozu Menschen fähig sind, als er selbst lügt und einen anderen an den Pranger stellt. Diese naive Sicht ist, in meinen Augen, gerade das Besondere an dem Buch. Es geht nicht darum, so nah wie möglich an der deutschen Geschichte zu sein. Und verschönt? Ich denke, nach dem Ende, sieht alles gar nicht mehr so schön aus. [weiter im nächsten Kommentar]
Cherry
Die Ungereimtheiten mit Aufbau des Lagers und die anderen von dir aufgezählten Fakten (übrigens: Respekt dafür, falls du das alles schon vorher wusstest, oder aber, weil du so gut nachgeforscht hast und den Dingen auf den Grund gehen wolltest) sind natürlich gut recherchiert und keine Frage, man denkt zuerst, da hat aber jemand seinen Job nicht gut gemacht. Aber ich weiß nicht, ob es Boynes Plan war, alles so genau wie möglich wiederzugegeben. Ich denke eher, dass er da eine sehr aufwühlende Geschichte im Kopf hatte, die nur so funktionierte. Und die "Fehler" sind nun keine schlimmen Verfälschungen der Geschehnisse, sondern so angepasst, dass die Story wirken kann. Klar, das Buch ist auf jeden Fall für Menschen gedacht, die schon ein wenig Vorwissen haben, aber vielleicht auch für diejenigen – insbesondere für jene, die nicht aus Deutschland kommen und das Thema nicht dermaßen detailliert im Geschichtsunterricht haben -, die sich danach noch mehr mit der ganzen Sache auseinandersetzen wollen, aber wie du schon sagst, Kindern würde man es sowieso nicht in die Hand drücken.
Zum letzten Satz: Ja, das ist Sarkasmus. Da gibt es auch gar nichts zu überlegen. Und selbst wenn man das als Jugendlicher noch nicht verstehen sollte, irgendwann wird es einem klar. Wer es noch nicht versteht, ist vielleicht noch nicht bereit es zu verstehen und ich bin mir fast sicher, dass es sogar Erwachsene gibt, die diesen Satz für die Realität halten. Es gibt so viele naive Menschen, die meinen, dass das alles nie wieder passieren könnte, weil wir ja jetzt klüger wären und aus der Geschichte gelernt hätten. Ja, solche Personen, werden das Ende nicht verstehen, aber dieses Buch kann nicht das schaffen, was andere Bücher auch nicht schaffen. Wer in seiner Seifenblase lebt und nicht raus will, der bleibt drin. Ich finde, der Satz ist eine sehr elegante Art, den Leser zum Nachdenken anzutreiben, falls er sich darauf einlässt. Es klingt eher so, als hätte der Autor ein stummes "Oder?" hintendran gestellt. Entweder man denkt drüber nach, oder man lässt es. Es existieren so viele Bücher, die von Lesern falsch interpretiert oder gar nicht verstanden werden, warum sollte es hier anders sein? (Und nicht mal ich kann mir hier sicher sein, aber gerade weil wir hier darüber reden, hat er ja etwas bei uns aufgelöst.)
Also, wie bereits gesagt, es ist die Frage, wie man an das Buch herangeht. Ich verstehe deine Enttäuschung bezügich der vielen Logikfehler, aber ehrlich gesagt, machen die das Buch für mich nicht weniger beeindruckend, weil sie für mich nichts kaputtmachen. Der Autor hat nie behauptet, einen authentischen Zeitzeugenbericht zu schreiben, das haben viele vor ihm getan. Und ja, solche lese ich auch sehr gern, bspw. "Der Tod ist mein Beruf" (beinahe ein Klassiker zum Thema) oder das noch recht junge "Der Schrecken verliert sich vor Ort". Wer genaue Fakten möchte, sollte natürlich nicht zu "Der Junge im gestreiften Pyjama greifen", aber das war, denke ich, auch nicht seine Aufgabe.
Sorry für die Länge, aber das musste jetzt raus 😀 und beweist nur wieder, wie unterschiedlich man Bücher lesen und verstehen kann.
Cherry
Und sorry für die vielen Tippfehler und vergessenen Wörter ^^'
Das kommt davon, wenn man sich, noch im Halbschlaf, an solch einen Text wagt.
Jacquy
Sehr guter Beitrag, vielen Dank dafür!
Ich musste das Buch in der Schule lesen und das mit 11-12 Jahren, zu einem Zeitpunkt wo kaum jemand von uns überhaupt etwas über diese Zeit und die Umstände wusste. Das war also zum einen zu früh und zum anderen fand ich es auch schon damals unrealistisch, dass Bruno so gar nicht wusste, was da los ist. Für einen 9-jährigen ist so viel Naivität gar nicht möglich, selbst mit 5 würde man sich schon mehr Gedanken machen.
Die Kritik die du äußerst macht es aber wirklich sehr ungeeignet als Schullektüre. Wie kann ein Buch überhaupt veröffentlicht werden, wenn es so voller Logiklücken und Fehler steckt? Und wieso sucht man es dann aus, um Schülern etwas darüber beizubringen? Das ist mir jetzt unbegreiflich.
Natürlich finde ich also auch, dass man auch Bücher über schwierige Themen kritisieren darf. Vielleicht sogar gerade deswegen, weil es da umso wichtiger ist, dass alles stimmt.
Liebe Grüße!
Miss PageTurner
Huhu =)
Ich freue mich, dass mein Beitrag Stoff für Disskusionen bietet, gerade bei dem Thema ist es wichtig, dass man darüber redet. Ich kanna uch deine Argumente verstehen. Über viele Logikfehler, die ich aufgeführt habe hätte ich drüber hinweg sehen können, da es ja kein Tatsachenbericht ist,aber manches war dann doch Verfäslchung für mich. Wenn man das Buch mit 17 aufwärts liest udn schon viel über den Holocaust erfahren hat ist das ok, aber da es ab 12 empfohlen wird, leses es auch viele Jugendlich die noch nichts darüber wissen alleine durch und könnten Stilmittel für Wahrheit halten, daher bleibe ich bei meienr Meinung, dass es besser Bücher gibt die den Holocaust besser aufarbeiten.
Aber ich freue mich über deinen langen Kommentar und deine Meinung =D
Miss PageTurner
Danke =)
Und ich kann nur zustimmen: Als Schullektüre sehr ungeeignet da es Vorwissen zwingend vorraussetzt. Wenn man e sals Erwachsener liest liest man viel mehr zwischen den Zeilen und ich will ja auch gar nicht sagen, dass es das einige Jugendliche nicht auch tun. Aber wie das so bei Schullektüre ist, lesen es der Großteil lustlos und halbherzig und schnappen dann nur die Hälfte aus. Halbwissen ist oft schlimmer als Unwissen.
Mikka Liest
Huhu!
Ein sehr interessanter Beitrag! Ich finde, man darf auch Bücher mit Themen wie diesem kritisieren – man darf ALLE Bücher kritisieren, meiner Meinung nach. Und obwohl ich das Buch noch nicht gelesen habe, klingen deine Kritikpunkte für mich durchaus nachvollziehbar! Ich habe letztens allerdings noch einen Artikel gelesen, in dem gesagt wurde, dass es in den KZs mehr Kinder gab, als man erwarten würde:
//www.denktag.de/kinderimkz/alltag-im-kz/
Aber selbst, wenn dieser Kritikpunkt wegfallen sollte, finde ich die anderen doch sehr bedenklich. Wie gesagt, ich habe es noch nicht gelesen, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass Kinder sich nach der Lektüre falsche Vorstellungen machen!
Ich habe deinen Beitrag HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt!
LG,
Mikka
Miss PageTurner
Danke für die Verlinkung =)
Und vielen Dank auch für den Link, der Artikel ist wirklich interessant (Allerdings steht da auch Zitat: "Man kann sagen, dass in der Regel Kinder unter 12 Jahren zu schwach zum Arbeiten waren und deswegen so schnell wie möglich vergast, erschossen oder erschlagen wurden" Das würde ja auf die Protagonisten zutreffen da diese ja erst ca. neun sind und
Aber wie du schon angemerkt hast dieser Pukt ist ja nicht der ausschlaggebende für unsere Bedenken.
Joscha
In Ausschwitz lebte Kommandant Höss tatsächlich in einem eigenen gediegenen Haus direkt am Lager. Es war allerdings das Stammlager. Es gab hier auch eine Gaskammer. Aber die Szenerie und das Lager, die im Buch beschrieben werden, verweisen ganz klar auf Birkenau. Natürlich ist ein Roman immer auch im Bereich der Fiktion angesiedelt, aber hier vermengen sich Fiktion, historische Ungenauigkeiten, eine unglaubliche Naivität die z.B für Geschichtslehrer nur schwer auszuhalten sind. Am schlimmsten finde ich, dass ja ein Junge in diesem Alter kaum in Auschwitz-Birkenau gelebt hat, aufgrund der Selektion. Wenn er doch durch Zufall die Selektion überlebt hat, dann als Versuchsobjekte eines Mengeles oder in irgendeiner Weise als Arbeitskraft. Im Stammlager als auch in Birkenau lief ein Häftling nicht einfach herum egal welchen Alters.
Miss_Pageturner
Hallo Joschua,
Dass in Auschwitz Kommandant Höss lebt, weiß ich. Ich hatte glücklicherweise eine sehr engagierte Geschichtslehrerin und habe an einer freiwilligen Exkursion zur Gedenkstätte teilgenommen. Aber wie du gesagt, und ich in meinen Punkten beschreiben haben. Das Szenario verweist klar auf Birkenau, da es im Stammlager Stein- und keine Holzbaracken, wie im Buch geschildert gab.
Auch sonst stimme ich dir vollkommen zu. Ich empfinde das Buch auch als gefährliche Verharmlosung. Mit differenziertem Lesen könnte es gehen, aber welcher Jugendliche, der das Buch als Schullektüre aufgebrummt bekommt, macht das schon.
Liebe Grüße, Sandra
Max
Sehr treffende Zeilen, die ich im Netz zu großen Teilen vermisse, was speziell dieses Buch und diesen Film betrifft. Ich nehme den Film gerade für meine Master-Arbeit in Geschichte auseinander und möchte zusätzlich zu deinen Ausführungen noch einen weiteren Aspekt mit einbringen, nämlich den des ‘falschen’ Mitleids. Ich versuche, es mal zu erklären.
Das „Highlight“ – die Anführungszeichen sind bewusst gesetzt – ist das Ende, bei dem weniger Mitleid mit Bruno und den anderen vergasten KZ-Insassen erzeugt wird als mit der Täterfamilie. Der schauspielerisch wirklich hervorragend gespielte Zusammenbruch der Mutter lässt dem Publikum beinahe nichts anderes übrig als Mitleid zu empfinden, ggf. sogar mit dem Vater, also den Tätern, die Bruno verloren haben. Mitleid mit all den anderen vergasten Menschen? Wird es erzeugt? Nicht wirklich.
Hier wird ein Narrativ bedient, das erinnerungspolitisch arg an die Zeiten deutscher Selbstviktimisierung erinnert, wie sie bis Ende der 1960er Jahre stattfand und zum Teil sogar heute noch beziehungsweise wieder zelebriert wird – frei nach dem Motto: „Ja, der Holocaust war schlimm, aber wir Deutschen hatten es auch nicht leicht.“ Das jüdische Leid soll durch Hervorhebung des eigenen, ‘deutschen’ Leids vergessen gemacht werden, eine klassische Strategie ‘deutscher’ Selbstentlastung von eben diesen ‘deutschen’ Verbrechen und damit sogar Bestandteil von Diskursen, welche sekundär antisemitischer Natur sind. Eine Täter-Opfer-Umkehr findet in dem Film, so finde ich, zwar noch nicht statt, aber man befindet sich, wenn auch unfreiwillig, auf einer gefährlichen Vorstufe zu dieser.
Naja … ich könnte noch weitermachen. Was ich für mich festhalten kann, ist, dass sowohl Buch als auch Film eine absolute Zumutung sind.
Claudio
Ich möchte nur kurz anmerken, dass der Nebentitel des Buchs “eine Fabel” lautet. Ich weiß nicht, wie man noch expliziter auf den Fiktionscharakter hinweisen soll. Kritik ist sicher immer angebracht, aber dem Buch Ungenauigkeiten und damit verbunden fast schon Holocaustrelativierung vorzuwerfen, ist schwierig. Ansonsten sollte man mal z.B. mit Jules Verne reden, denn das Meer ist an keiner Stelle 20000 Meilen tief.
Miss_Pageturner
Hallo Claudio,
Ich fürchte, du hast meinen Artikel missverstanden. Meine Hauptkritik an dem Buch ist nicht, dass es Ungenauigkeiten hat (zwar finde ich es einen ziemlich schlechten Geschmack eine verharmlosende Fabel aus dem Holocaust zu machen, aber gut künstlerische Freiheit). Vielmehr sollte der Artikel aufzeigen, weshalb das Buch aufgrund dieses Fabelcharakters ungeeignet als Schullektüre ist. Denn Teenager (und vom Deutschunterricht gelangweilte Teenager erst recht) lesen selten so aufmerksam und reflektierend, wie es bei diesem Buch nötig wäre, um die Doppeldeutigkeiten zu erkennen und durch Brunos Naivität hindurchzuschauen und Nebentiteln werden auch selten Beachtung geschenkt.