(Verlagstext, gekürzt)
»Meine Fotos wurden kurioser. Selfies im leeren Supermarkt. Ein „Hilfe“ aus Dosenravioli gebaut. Da war niemand. Niemand sah meine Bilder, egal wie viel Hashtags ich versuchte. Ich betitelte sie alle mit #iamunstoppable.«
Die freiheitsliebende Ariadne tut nur was sie will: Sie versucht sich an Dingen, die ihr Spaß machen und umgibt sich nur mit Leuten, die ihr Freude bereiten – sowie mit ihrer Katze namens Katze. Doch dann sind alle Menschen in ihrer Umgebung von einem Moment auf den anderen verschwunden. Ariadne ist der letzte Mensch auf Erden und völlig allein. Bis sie eines Tages eine Nachricht von Sanghyun erhält – dumm nur, dass er in Shanghai und auf der anderen Seite der Welt ist …
Das Cover ist ganz ok, haut mich aber nicht um. Es passt schon ganz gut zum Buch und der Geschichte, aber es bleibt einfach nicht im Kopf hängen, hat nichts Besonderes oder wirklich aufsehenerregendes an sich.
(Achtung: Dies ist eine Rezension zu einem Buch, das mit der Goldenen Dolores ausgezeichnet wurde. Die goldene Dolores, benannt nach dem wohl unaustehlichsten Charakter im Buchuniversum, Dolores Umbridge, ist ein von mir verliehener Preis an ganz besondere Bücher. Nämlich an die Nervigen und Abstrusen, die voller Kitsch und/oder Logikfehler. Die bei denen man die Protagonisten anschreien möchte und bei denen man eine rote Stirn von den vielen Facepalms bekommt, kurzum solche Bücher, bei denen sich die Nägel hochrollen. Dementsprechend werden sie von mir mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und Ironie rezensiert. (Mehr Infos zur Goldenen Dolores findet ihr hier)
Achtung: Diese Rezension enthält Spoiler!!!!
(Das Fazit kann aber gefahrlos gelesen werden)
Dieses Buch hat mich weniger vom Cover, als vielmehr vom Klapptext her angesprochen. Ich erhoffte mir eine spannende postapokalyptische (NEIN Piper, das ist KEINE Dystopie, Know Your Terms!) Geschichte mit Humor und einer Prise Liebe. Was ich jedoch stattdessen bekam, hat mir leider kaum zugesagt.
Jung, dumm und kein Plan
Das Szenario ist schnell erzählt: Alle Menschen auf der Welt verschwinden von der einen Sekunde auf die andere. Nur Protagonistin Ariadne und eben Sanghyun bleiben übrig. Wir haben also 99,9% des Buches genau zwei Charaktere und beide konnte ich nicht leiden. Eine mehr als schlechte Voraussetzung für das Buch. Ariadne war mir schon auf den ersten Seiten sehr unsympathisch. Sie ist ein völlig antriebsloser, langweiliger und reizloser Mensch. Hat keine Ziele, Träume oder Wünsch außer, “Nicht tun, was Daddy will”. Es ist ok, in seinen 20er in einer Orientierungsphase zu sein, sich auszuprobieren, Lebenswege zu verwerfen und auf der Suche zu sein. Aber Ariadne ist nicht auf der Suche, sie will nichts und macht einfach nichts, so gar nichts. Dass sie gleichzeitig darüber lamentiert, als Studentin nur eine 40m² Wohnung für sich allein zu haben, machte sie mir noch unsympathischer, denn mal im Ernst, an alle Studenten da draußen, wie viele Leute ohne reiche Eltern kenn ihr, die 40! m² Raum ganz für sich allein ihr Eigen nennen können. Klar sowas sind Kleinigkeiten, führten aber eben nicht dazu, dass ich Ariadne mochte.
Hinzu kommt, dass Ariadne auch nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte ist. Für ihre 20 Jahre hat sie ein wirklich miserables Allgemeinwissen. Das zeigt sich dann überdeutlich, als sie plötzlich auf sich allein gestellt ist und null Ahnung von irgendwas hat, und damit meine ich nicht irgendwelches Spezialwissen, sondern simple Dinge, die man schon in der Grundschule lernt. Auch sonst bringt sie keinerlei nennenswerte Fähigkeiten mit und logischer Menschenverstand scheint ihr völlig fremd zu sein, weshalb ich es mit Fortschreiten der Handlung immer schwieriger fand sie zu begleiten, ohne in einem fort genervt aufzustöhnen.
Insgesamt muss man leider auch sagen, dass die beiden Charaktere auch sehr blass blieben. Sie haben kaum Hintergrund und auch keine wirklichen Ziele, Träume, Wünsche etc. Das gilt für Ariadne genauso, wie für Sanghyun, der einfach ein netter kleiner Sunnyboy ist, aber genauso unwissend wie Ariadne, was mitunter schon gefährlich wird: Als Ariadne nämlich, nachdem sie schlechtes Fleisch gegessen hat, Magenprobleme bekommt, sagt Sanghyun: “Ich weiß zwar nicht was du hast. Nimm aber sofort irgendwelche Medizin, egal was!” Ähm ja, ist klar. Es ist ein wahres Wunder, dass keiner von den Beiden Darwin Award mäßig draufgegangen ist.
It’s a Match
Kommen wir zurück zur Handlung. Ich gebe zu, die ersten 30 Seiten in denen Ariadne sich allein in einer menschenleeren Welt bewegt und zwischen Tollerei, Wahn und Verzweiflung schwankt waren noch ganz unterhaltsam und tatsächlich auch, zumindest was Ariadnes Stimmungen angeht, halbwegs realistisch, doch damit ist es dann vorbei, sobald sie online auf Sanghyun trifft. Was folgt ist eine Liebesgeschichte im Chat/Skype Style, die praktisch genauso auch ohne Apokalypse funktioniert hätte. Statt spannendes Endzeitabenteuer mit einer Prise Liebe, bekam ich Liebestory im Tindersyle mit einer Prise Endzeit. Wenn denn wenigstens der Austausch zwischen den Beiden interessant gewesen wäre, hätte ich es dem Roman ja noch verzeihen können und die Schuld dem Verlag fürs falsche Marketing zugeschoben, aber sie sind es nicht. Der Großteil ist langweiliges Gesülze ohne Tiefe, gepaart mit ein paar ach so witzigen Sprüchen. Schon nach der Hälfte des Buches (ich erinnere, es sind sowieso grade mal 272) habe ich begonnen immer dann vorzublättern, wenn die Beiden sich kontaktieren und ich habe inhaltlich überhaupt nichts verloren, was nur zeigt wie belanglos und inhaltsleer diese Gespräche waren.
Logikfehler wohin man sieht
“War denn wenigstens das Endzeitszenario spannend?”, fragt ihr euch jetzt vielleicht. Naja, nicht wirklich, was vor allem daran lag, dass die Autorin es auf Kosten der Logik ihren Figuren sehr leicht machte. Bis auf eine selbst verursachte Lebensmittelvergiftung und ein paar aggressiven Hunde läuft es eigentlich ganz easy in der Apokalypse. Der Strom ist noch monatelang da und fällt nur vereinzelt aus, ein paar Brände brechen aus, aber auch das vereinzelt und ohne die beiden Protas zu bedrohen. Schon allein diese Schilderung ist völlig unlogisch.
Nehmen wir den Strom. Die meisten Kraftwerke haben einen automatisierten Schutz vor Überspannung der Leitungen, dieser sorgt dafür, dass Kraftwerke vom Netz gehen, sollte genügend Strom bereits vorhanden sein. Da in den Stunden vor dem Verschwinden normal produziert wurde und von einer Sekunde zu anderen der Verbrauch drastisch sank, dürften die meisten fossilen Kraftwerke schon nach einigen Stunden vom Netz gegangen sein. Auch Solar- und Windkraftwerke schalten sich nach einigen Tagen ohne Wartung ab. Nichts da also mit monatelangem Strom oder Handynetz, wie im Buch, den letzteres gäbe es ohne Strom auch nicht mehr.
Noch gravierender dürften die Atomkraftwerke sein. Deren Kühlwasser dürfte nach ca. einem Monat aufgebraucht sein. Hat das Kraftwerk keinen Schutz für diese Fälle überhitzt der Reaktor und es kommt zum Supergau (vereinfacht gesagt, so geschehen in Tschernobyl), heutzutage haben zwar viele Atomkraftwerke eine Automatik, die in diesem Fall den Reaktor runterfährt, allerdings durch die eben erwähnten Schutz vor Überspannung kann diese gestört werden und es kommt ebenfalls zum Supergau (so geschehen in Fukushima). Lille, die Stadt in der Ariadne lebt, liegt zwischen zwei Atomkraftwerken: Chooz (in Luftlinie ca. 136 km entfernt) und Gravelines (ca. 77 km). Das ist zwar außerhalb der jeweiligen Todeszonen, wenn aber dutzende Kraftwerke in Europa gleichzeitig ihren Gau haben, dürfte trotz der Schutzhüllen der Reaktoren so einiges an nuklearen Material entweichen. Ariadne hätte es also trotz Stromausfall mit einem strahlenden Europa zu tun und ich bezweifle, dass es in China besser aussähe.
Dann wären da noch die Tiere, auch ein Punkt der immer wieder im Roman Erwähnung findet und völlig unrealistisch behandelt wurde. Im Roman sterben nur die Tiere, die gefangen sind. Allem, was sich befreit oder auf einer Weide stand, gehts halbwegs gut. Vom kleinen Terrier bis zum Pony. Tatsächlich wären die allermeisten kleinen Hunderassen wie Chihuahua, Bulldoggen, Minipudel etc., schon nach kurzer Zeit tot, egal ob frei oder nicht, da sie sich draußen im Kampf um Nahrung mit den größeren Tieren nicht messen könnten.
Und wenn man jetzt sagt “Ja du bist halt ein Nerd, dass du sowas weiß”. Nein, bin ich nicht. Alles was ich gerade genannt habe beruht auf ca. 30 min Recherche im Internet, mehr nicht. Und wenn ich das schaffe, kann man von einer Autorin ja wohl auch erwarten, wenigstens minimale Rechercheanforderungen zu erfüllen. Zumal im Roman auch so einige Fehler sind, die einfach nur zum Haare raufen sind. So wird zum Beispiel behauptet, man könne erkennen, dass jemand kein naturblondes Haar hat, weil diejenige braune Augen hat. Aha. Es gibt also nur blauäugige blonde Menschen? Das grenzt ja schon an den Quatsch vom Arier Ideal, auch wenn ich in dem Fall der Autorin nichts unterstellen möchte und eher denke, dass das “einfach” eine Ausgeburt von Unwissenheit, oder schlechter Formulierung war. Ich hoffe es zumindest.
Und das Ende vom Lied
Ich fasse also mal zusammen: Wir haben zwei Toastbrot blasse Protagonisten, die in einem unlogischen und aufgeweichten Endzeitszenario einer 0815 Liebestory ohne Tiefe nachkommen. Als Leser schleppt man sich zwischen Süßholzgeraspel und semigefährlichen Situation dahin, denn a) ist das Buch ja nicht lang und b) will man wenigstens wissen, was mit den Menschen passiert ist und dann kommt das Ende. Ja, was soll ich dazu sagen, außer: Was für eine Zeitverschwendung. (erneute Warnung: Fetter Spoiler:) Am Ende stellt sich nämlich raus, Ätschibätsch ist alles nicht passiert. Die Uhr wird nahtlos zurückgedreht, alle Menschen sind wieder da. Nur Ariadne und Sanghyun erinnern sich an die vermeintliche menschenleere Zeit und lieben sich jetzt natürlich sehr. Wieso weshalb, warum das Ganze? Wer weiß. Immerhin werden wir nicht mit einer fadenscheinigen Erklärung abgespeist, die Autorin gibt nämlich einfach gar keine. So kann man es natürlich auch machen … Nicht.
Im ersten Moment dachte ich: “Ok vielleicht sollte ich einfach die Jugendbücher sein lassen, ich bin zu alt dafür” Aber im nächsten dachte ich an zahlreiche Jugendbücher, die mich auch heute noch begeistern und komme zum Schluss, es liegt nicht an mir, sondern diesem Buch. Es ist einfach nicht gut. Zu flach, zu fad und voller Logikfehler. Das einzig unterhaltsame sind die Tiere und die vernünftigsten sind sie auch und das sagt doch schon alles. Ein Punkt gibt’s von mir und einen für den Fall, das ich mich irre und doch einfach nur zu alt dafür bin.
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Der Büchernarr
Hallo Sandra,
das mit der goldenen Dolores wußte ich gar nicht – muss daran liegen, dass die für Bücher vergeben wird, die üblicherweise den Weg eher nicht zu mir finden 😉 Ja, Du hast mit Deinen Argumenten sicherlich recht, aber das Buch ist nicht für jene gedacht, die einen Meter weiter denken, was für Konsequenzen entstehen, wenn plötzlich alle Menschen fort sind. Naja, es scheint ja doch ein paar Leser oder Leserinnen zu geben, die Gefallen an dem Buch gefunden haben.
Viele Grüße
Frank
Miss_Pageturner
Hi =)
Sicherlich, mag die Zielgruppe 14-18 jährige da weniger kritisch sein, aber ich finde auch von einer Jugendbuch Autorin darf man wenigstens minimale Recherche erwarten. Das gehört für mich einfach zum Handwerk einer*s Autor*in. Das ist es, denk ich, was mich so daran stört. Für mich ist das, als ob die Bäckerin kein Brot backen kann. Das gehört zu ihrem Job.
Aber wie du schon sagst, das Buch findet sonst ja regen Zuspruch, also scheinen andere das nicht so wichtig zu finden .
LG Sandra
Der Büchernarr
Ich glaube, dass heutzutage sich darüber keine Gedanken mehr machen. Der Strom kommt aus der Steckdose und das Wasser aus dem Wasserhahn. Ich gebe Dir vollkommen recht, dass Autoren für ihre Bücher zumindest die grundlegendsten Dinge nachschauen sollten. Einfach die Welt weiterlaufen zu lassen ist ein wenig zu simpel …
VG Frank