Unschuldig sieht es auf den ersten Blick aus. Dieses Buch, dass gerade die Bloggerwelt so aufwühlt und beschäftigt. Pastelle Farben, eine Blümchendecke. Wäre da nicht dieser anklagende Titel, hätte es ebenso gut eins von hunderttausend Instagram Fotos sein können die täglich auf der ganzen Welt gepostet werden. Doch schaut man ein zweites Mal hin, so stechen einen die, wie Blut geschriebenen, Worte „Du wolltest es doch“ entgegen. Es ist eine Anklage, eine Beschimpfung, eine Verleumdung. Vier Wörter, die aus Opfer plötzlich Schuldige macht, vier Wörter, die Leben zerstören können. Und auf einmal ist das Cover gar nicht mehr so harmlos …
Ihr seht schon, dies wird keine gewöhnliche Rezension, denn dies ist auch kein gewöhnliches Buch. Es in mein übliches Rezensionsschema zu zwängen, würde ihm nicht gerecht werden, denn normalerweise beurteile ich ja ob mir ein Buch gefallen hat oder nicht und ob es mich unterhalten hat. Dieses Buch ist jedoch anders. Es ist keine Unterhaltung, so gar nicht. Die meiste Zeit war ich wütend, enttäuscht oder fassungslos. Nein, unterhalten hat es mich überhaupt nicht, und doch ist es wichtig über dieses Buch zu sprechen.
(An dieser Stelle eine Hinweis: Ich werde es nicht ohne Spoiler schaffen, um das was ich sagen will zu untermauern, daher lesen auf eigene Gefahr)
Infos zum Buch
Worum geht es?
Die 18-jährige Emma will immer im Mittelpunkt stehen. Sie ist jung, bildhübsch und beliebt. Die Jungs stehen auf sie und Emma tut alles damit das auch so bleibt. Doch dann wacht sie nach einer verhängnisvollen Party, bei der sie Alkohol und Drogen zu sich nimmt um cool zu sein, auf der Veranda vor ihrem Haus auf. Zerschunden, mit verdreckter, zerrissener Kleidung und ohne jegliche Erinnerung. Doch schon am nächsten Tag sind die Bilder dieser Nacht in den sozialen Medien: Emma wie sie von einer Gruppe von Jungs missbraucht wird. Jeder in der Stadt hat sie gesehen und plötzlich hat auch jeder eine Meinung dazu und in den meisten Fällen ist es: War „Schulschlampe“ Emma nicht selbst schuld?
Warum dieses Buch keins zur Unterhaltung ist
Du wolltest es doch ist ein Buch, das die Gemüter bewegt. Es ist provokant. Manchen geht es zu weit, anderen nicht weit genug, aber ich jedem Fall regt es zum Nachdenken an.
Protagonistin ist die 18-jährige Emma und Emma ist ein richtiges Biest, das kann man leider schon so sagen. Sie ist hinterhältig und gemein, beklaut und belügt ihre Freunde und macht sich an die Freunde ihrer Freundinnen heran, nur um sich zu beweisen, dass sie es kann. Sie braucht die Bestätigung, dass sie die Hübscheste, Heißeste, Beste etc. ist so dringend, wie die Luft zum Atmen und tut alles um sich ihr Image zu erhalten. Soziale Anerkennung ist für sie wie eine Sucht und um sie zu erhalten, setzt sie auch ihren Körper ungeniert in Szene.
Niemand wird als Miststück geboren
Was das Buch, neben den traumatischen Nachwirkungen einer solchen Tat auch zeigt ist, dass niemand, auch eine Emma nicht, als Ekel geboren wird. Jeder Mensch ist ein Produkt aus kulturellem/gesellschaftlichem Einfluss, persönlichen Erfahrungen und der Erziehung und Emmas Eltern haben in jeglicher Hinsicht versagt. Ihre Mutter ist genauso oberflächlich und mehr um ihr Ansehen bedacht, als um das Wohlergehen ihrer Kinder. Selbst als sie Emma bewusstlos auf der Veranda finden, ist ihre erste Sorge, was denn die Nachbarn denken mögen. Die einzigen Momente, in denen sie Emma sowas wie Zuneigung zeigt sind, wenn sie sie für ihre Schönheit lobt. Ansonsten kritisiert sie Emma sei zu füllig, sitze nicht gerade etc. Der Vater ist auch nicht besser, glänzt er doch die meiste Zeit mit Abwesenheit und Desinteresse. Bei solchen Monstern von Eltern ist es eigentlich gar nicht so verwunderlich, dass Emma nach Aufmerksamkeit und Anerkennung giert, wie eine Abhängige.
Was soll der Leser mitnehmen?
Soviel also zum Inhalt des Buches, kommen wir zur Umsetzung, denn so wichtig wie ich die Aufarbeitung dieser Thematik auch finde, so ganz überzeugt hat mich die Umsetzung nicht. Gut zum einem lang es an dem Erzählstil. Die ständigen Gedankensprünge und urplötzlichen Rückblenden irritierten mich oft, aber das ist ja Geschmackssache und eindringlich ist der Stil, das muss ich ihn lassen.
An dieser Stelle möchte ich Hilfsorganisationen und Ansprechpartner für Opfer nennen. Bei all diesen Anlaufstellen kann man sich Anonym melden:
- Der weiße Ring e.V
- LARA – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen
- Das Hilfetelfon bei Gewalt gegen Frauen des BMFSFJ
- Das Hilfeportal bei sexuellem Missbrau des BMFSFJ
Warum wir solche Bücher brauchen
Einer 2002-2004 durchgeführten Studie zufolge, gaben 58% der 10.000 befragten Frauen in Deutschland an, schon mal sexuelle Belästigung erlebt zu haben, 13%, also jede siebte Frau sagten aus, schon mal sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Angezeigt haben das jedoch gerade mal 5 %.(Studie “Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland” im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von März 2002 bis September 2004 durchgeführt. Ereichbar auf der Seite des BMFSFJ)
Sicherlich sollten sowohl Frauen als auch Männer nicht komplett leichtsinnig sein und z.B. nachts den dunklen Weg doch lieber nicht alleine gehen, sondern zu zweit, man sollte sein Glas im Auge behalten und von Drogen die Finger lassen. Aber selbst wenn das Opfer leichtsinnig war, entschuldigt das nie, niemals, fucking never!!! eine Straftat seitens des Täters.
Keine Frau der Welt ist „asking for it“ Nein heißt nein, oder vielmehr, alles was keine klare Zustimmung ist, ist automatische in Nein. Das sind keine Psychospielchen von Frauen oder sonst was. Wenn zwei Leute Sex haben und eine Person davon (Mann oder Frau ist egal, auch Männer können Opfer sein) will es nicht, ist das eine Vergewaltigung und eine Straftat, Punkt. Fertig. Aus.
Leider sieht die Realität anders aus und daher ist dieses Buch wichtig, daher brauchen wir mehr solcher Bücher. Die Gesellschaft muss begreifen, dass Kleidung, Verhalten oder sonst was nie ein Grund für eine Vergewaltigung ist, dass Opfer Einfühlungsvermögen und Zuspruch brauchen. In einer heilen Welt würde es erst gar keine Vergewaltigungen geben, aber so perfekt wird die Welt wohl nie sein, bleibt also zu hoffen, dass die Opfer in Zukunft wenigstens nicht mit der Angst leben müssen, selbst als Schuldige bezeichnet zu werden.
Lara
Ich habe mich noch nicht ganz getraut, nach deiner Spoiler-Warnung weiter zu lesen, weil das Buch auch noch auf meiner Wunschliste liegt. Aber so weit ich es überflogen habe, muss ich sagen, dass ich deinen Post wirklich gut finde! Gerade die Idee herauszuschreiben, was der Leser mitnehmen sollte und warum es nicht zur reinen Unterhaltung dient. Super Post! 🙂
Liebst, Lara von Fairylightbooks 🙂
Miss PageTurner
Danke =)
Das Buch hat mich wirklich noch lange bschäftigt. Ich persönlich gehöre glücklicherweise zu den 42% die noch nie sexuelle Belästigung ausgesetzt waren und lebe in einer glücklichen, verständnisvollen Beziehung, aber das ich damit zur Minderheit gehöre, macht es umso schockierender für mich und ich danke dem Buch, dass ich mich dadurch einmal mehr mit dem Thema auseinandergesetzt habe.
LG Sandra
Marysol Fuega
Liebe Sandra,
wow, einfach wow. Ich habe das Buch zwar nicht gelesen und eigentlich auch nicht vor, aber ich bin ganz begeistert, wenn man das bei dem Thema sagen kann, von deinem Beitrag. Absolute Zustimmung und großartig dargestellt, man merkt, mit wie viel Emotionalität du dahinterstehst ^^
Danke für diesen tollen, wichtigen Beitrag!
Mary <3