(Verlagstext)
In Uruk, im alten Mesopotamien, lebt der Tyrann Gilgamesch, der die schönsten Frauen des Landes entführt und in seinem Palast einsperrt. Der Herrscher ist von göttlichem Blut und schier unbezwingbar, und so beschließen die Götter, seinen Exzessen Einhalt zu gebieten: Sie erschaffen den menschenähnlichen Enkidu, der es an Kraft und Mut mit Gilgamesch aufnehmen kann. Und obwohl eine Konfrontation der beiden unvermeidlich scheint, werden sie schließlich enge Freunde und Waffenbrüder. Ihr gemeinsames Ziel, das sie durch Heldenmut und große Taten zu vollbringen trachten, ist nichts Geringeres als die Unsterblichkeit.
Das Cover zeigt die Szene, in der Gilgamesch und Enkidu den Riesen Humbaba herausfordern. Dieser sieht zwar hier ganz anders aus, als letztendlich im Comic, das flammende Ungetüm schafft, aber ohne Frage Eindruck. Ein bisschen schade finde ich es, dass nicht das Cover des ersten franz. Bandes genommen wurde. Es mag zwar historisch unkorrekt sein, weil es das berühmte Ischtar-Tor zeigt, was ein Stadttor von Babylon war, unsere Geschichte aber in Uruk spielt, aber es sieht halt einfach sehr schön aus. 😅
Auf diesen Mythen der Antike Band habe ich mich bereits lange gefreut. Denn er ist etwas ganz Besonders. Statt Hera, Athena und Zeus, greifen hier Anu, Ischtar oder Samas in die Geschicke der Menschen ein. Die Namen sagen euch nichts? Nun, das könnte daran liegen, dass es keine griechischen Götter sind, sondern sumerische. Die Reihe verlässt nämlich den griechischen Sagenkreis und macht einen Ausflug ins alte Mesopotamien.
Der älteste schriftlich überlieferte Mythos der Welt
Für diesen Ausflug, weg von Herakles, Perseus und Co, sucht sich Luc Ferry nicht irgendwas aus. Nein, mit Gilgamesch adaptiert er nicht weniger als die älteste erhaltene schriftlich überlieferte Geschichte der Welt, quasi den ersten Bestseller der Menschheitsgeschichte. Das Gilgamesch-Epos ist vermutlich über 4000 Jahre alt! Das sind ganz schön große Fußstapfen, doch die füllt diese Graphic Novel ohne Probleme aus.
Da dieser Band, ähnlich wie schon bei Jason im franz. Original aus drei Bänden besteht, ist die Geschichte rund um Gilgamesch und Enkidu dreigeteilt. Im ersten Teil geht es darum, wie Gilgamesch die Götter verärgert, wie Enkidu geschaffen wird, und wie die beiden aufeinandertreffen. Der zweite Teil beschreibt die Heldentaten von Gilgamesch und Enkidu, die sie zusammen verbringen und mit denen sie die Götter noch mehr verärgern und im dritten Teil macht sich Gilgamesch auf die Suche nach Unsterblichkeit. Alles in allem eine sehr sinnvolle Unterteilung, die an schlüssigen Stellen des Mythos Trennlinien setzt.
Wie nah diese Comicadaption an der sumerischen Überlieferung ist, kann ich dieses Mal nicht sagen, denn indem wir das antike Griechenland verlassen haben, haben wir auch mein vertrautes Terrain verlassen. Zwar kante ich ein paar sumerische Götter grob vom Namen und Aufgabengebiet her, aber das war’s auch schon mit meinem Wissen über Mythen und Kultur der Sumerer. Daher war dieser Band eine einzigartige Erfahrung für mich in dieser Reihe, ist es bisher doch der einzige Band, den ich völlig ohne Vorwissen gelesen habe. Verständnisprobleme hatte ich aber überhaupt nicht. Der Mythos wird linear und leicht verständlich erzählt und für die diversen auftretenden Götter gibt es im Nachwort ein Miniglossar. Und auch wenn Ort und Pantheon verschieden sind, so völlig unvertraut ist die Geschichte Gilgamesch dann doch nicht, behandelt sie doch ähnliche Themen, wie sie auch oft in den griechischen Mythen zu finden sind, einfach, weil es Themen sind, mit denen die Menschheit sich schon immer auseinandergesetzt hat: Freundschaft, Heldentaten, der Einfluss der Götter auf das Schicksal der Menschen und das Sehnen des Menschen nach Unsterblichkeit. Es zeigt sich, auch wenn jede Kultur ihre eigenen Mythen und Geschichten hat, gewisse Themen und Elemente sind universell und beschäftigen alle Menschen über Kulturen und Jahrhunderte hinweg gleichermaßen.
Grafisch konnte mich der Band ebenfalls erzeugen. Pierre Taranzano hat eine starke, aber auch sehr saubere Strichführung und ein Händchen für detaillierte Mimik. Tatsächlich gefalle mir seine Mimik bisher von allen Bänden am besten, sind sie doch stets treffend, aussagekräftig und detailreich, selbst bei Figuren im Mittelgrund des Panels, wo bei anderen Künstlern die Gesichter schon schwammig werden. Bei der Kolorierung wird hier in meinen Augen stärker auf Erd- und Naturtöne gesetzt, als bei den Bänden zur griechischen Welt, was ich aber sehr passend und stimmig fand.
Es lohnt sich definitiv für die Mythen der Antike Reihe ab und zu den griechischen Pantheon zu verlassen, denn Gilgamesch hat eindrucksvoll bewiesen, dass die Mythen anderer Kulturen genauso spannend sind. Das Epos wird flott und gut verständlich erzählt und von Pierre Taranzano ansprechend bebildert. Rundum gelungen.